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Anlässlich der Rede von Ministerpräsident Dr. Stoiber auf dem Schriesheimer Matheisemarkt schrieb ich nachfolgenden offenen Brief an Herrn Stoiber.
(04. März 2002)

Offener Brief an Ministerpräsident Dr. Stoiber
wg. falscher und halber Darstellung

Sehr geehrter Herr Dr. Stoiber,

Ihre Reden, auch die in Schriesheim, sind glatt und kühl und wirken überlegt - und doch sind einige Passagen einfach falsch. Auch wenn Ihnen der Ruf vorauseilt, ein "Aktenfresser" zu sein: glauben Sie mir, es ist besser, die Akten zu lesen.

Ich möchte Ihnen meine beiden Zwischenrufe: "Das ist falsch, Herr Stoiber!" und "Das ist auch falsch, Herr Stoiber!" begründen.

Auf der Basis Ihrer mangelhaften Unterscheidung zwischen Personengesellschaft und Körperschaft gehen bei Ihnen die Begriffe Einkommensteuer und Körperschaftsteuer wild durcheinander: Sie behaupten: die Senkung der Körperschaftsteuer helfe nur den Konzernen und nicht dem Mittelstand. Mal abgesehen davon, dass es auch mittelständische GmbHs gibt und kleine Aktiengesellschaften, denen die Steuersenkung sehr hilft - der übrige Mittelstand (Personengesellschaften) bezahlt überhaupt keine Körperschaftsteuer, sondern Einkommensteuer.

Und die Einkommensteuer wurde drastisch gesenkt: Zu Ihrer Erinnerung:

  • Der Eingangssteuersatz unter Kohl noch 25,9 Prozent, künftig 15 Prozent
  • Das Existenzminimum unter Kohl 12.000 DM, künftig 15.000 DM
  • Der Spitzensteuersatz unter Kohl 53 Prozent, künftig 42 Prozent
  • Darüber hinaus bezahlen auch nur noch Körperschaften Gewerbesteuer, Personengesellschaften können sie mit der Einkommensteuer verrechnen.

Ihr Vergleich zwischen Körperschaftsteuer und Einkommensteuer ist also Unsinn. Sie messen Ihre Flugzeit doch auch nicht in Quadratmetern. Oder doch?

Ein Zweites: Im Zusammenhang mit dem Euro und dessen Abhängigkeit von wirtschaftspolitischen Entscheidungen sprachen Sie von "Entscheidungen in Rom, Paris, Stockholm, Amsterdam...". Nicht dass nicht jede wirtschaftspolitische Entscheidung in der Welt irgendeinen Einfluss auf den Euro haben könnte, aber die von Ihnen gewählte Aufzählung Europäischer Hauptstädte hat doch nahe gelegt, anzunehmen, Sie hätten noch nicht bemerkt, dass sich in Schweden die Schwedische Krone (Kronor) noch immer großer Beliebtheit erfreut.

Einen weiteren, eigentlich notwendigen Zwischenruf habe ich für später aufgehoben: Sie haben einen einzigen in die Zukunft gerichteten Vorschlag gemacht: Sie wollen eine "Offensive Ost" und wollen diese mit dem Verkauf von Telekomaktien in Höhe von 3 Milliarden Euro finanzieren. Ist Ihnen nicht bekannt, dass es einen "Solidarpakt Zwei" für Ostdeutschland gibt, der ein Volumen von 300 Milliarden DM umfasst? Abgesehen davon, dass solche Ankündigungen nicht ohne Einfluss auf die Kurse der T-Aktie bleiben würden, es zeigt sich, dass Sie das jetzt gültige innerdeutsche Finanzausgleichssystem und die Finanzierung der Folgeschäden falscher Förderpraxis Anfang der neunziger Jahre nicht vollständig durchdrungen haben.

Ein Letztes: Sie prangern "die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne" an. Ist Ihnen nicht bekannt, dass diese Gewinne eben doch versteuert werden - nämlich beim Übergang in die Privatsphäre der Anteilseigner? Und welche Konzepte hat die CSU dieser Flexibilisierung und Auflösung verkrusteter Beteiligungsstrukturen entgegenzusetzen? Auch hier habe ich Ihnen einen Zwischenruf erspart, weil Sie in Fernsehrauftritten ja schon öfter gezeigt haben, dass Ihnen das Steuersystem nur sehr bruchstückhaft vertraut ist.

Jedenfalls möchte ich Sie bitten die Menschen künftig nicht mehr mit solchen Halbwahrheiten hinters Licht zu führen. Aber vielleicht sind dies ja für Sie auch Doppelwahrheiten. Bei der Umrechnung von DM in Euro war es Ihnen ja auch ziemlich egal, ob man mit zwei malnehmen oder durch zwei teilen muss. Aber ich sage Ihnen, dass es für viele Leute nicht egal ist, ob sie doppelt soviel oder halb soviel in der Tasche haben.

Deshalb hat die rot/grüne Regierung auch die Steuern kräftig gesenkt. Und das war auch gut so und das lässt sich messen und fühlen.

Mit freundlichen Grüßen

Lothar Binding




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