Zurück zum Pressearchiv 1999 - 2002 | Zurück zur neuen Seite von MdB Lothar Binding


Der Nahe Osten: Chance auf Frieden?
26. Juni 2002

"Sharon erklärt, es werde auf absehbare Zeit keinen palästinensischen Staat geben, sein Koalitionspartner, die Arbeiterpartei stellt sich einen "provisorischen Staat" auf dem zersplitterten Gebiet der jetzigen Autonomieverwaltung vor, Arafat plant einen unabhängigen pälästinensischen Staat in den Grenzen von 1967, Terroristen wollen den Staat Israel annullieren - und wenn nichts geschieht, bleibt alles wie es ist und Israel kontrolliert die in unzusammenhängenden Reservaten lebenden Palästinenser", so fasste der Bundestagsabgeordnete Lothar Binding den komplexen Hintergrund für eine Veranstaltung mit dem schlichten Titel: "Chance auf Frieden in Nahost" zusammen. Zuvor hatte der Hausherr des Kunstvereins, Hans Gerke erläutert, dass eine solche Diskussion, gerade nach der intensiven künstlerischen Zusammenarbeit mit Micha Ulmann und Dani Karavan, auch im Kunstverein Raum haben sollte.

Auf Einladung von Lothar Binding waren der Generalbevollmächtigte der Palästinensischen Autonomiebehörde in Deutschland Abdallah Frangi und der ehemalige israelische Botschaftsrat Grigori Alroi-Arloser, zwei bekannte Nahostexperten, nach Heidelberg gekommen.

Beide Seiten waren sich einig, dass mit der aktuellen Situation der absolute Tiefpunkt des israelisch-palästinensischen Verhältnisses erreicht sei. Frangi führt das Scheitern von Camp David auf die Weigerung Israels zurück, das in Oslo 1993 vereinbarte Friedensabkommen umzusetzen: "Der permanente Weiterbau israelischer Siedlungen auf pälestinensischem Gebiet und der Umgang Israels mit dem pälästinensischen Ostjerusalem, haben den in Oslo vereinbarten Friedensprozess von Anfang an gestört und durch militärische Eskalation ersetzt" so Abdallah Frangi. "Die zarte Blume des Vertrauens ist gänzlich zerstört, die Angst vor neuen Terroranschlägen ist in Israel allgegenwärtig", so berichtet Grisha Arloser, "sie bestimmt das Einkaufsverhalten, die Reiserouten, sie sorgt sogar dafür, dass man seine Kinder nicht mehr auf Geburtstage lässt". Auf beiden Seiten herrschen Ratlosigkeit vor, beide sprechen von Vertrauensverlust, persönlicher Unsicherheit der dort lebenden Menschen, es gibt Abwanderung. Der kleinste gemeinsame Nenner beider Seiten scheint gegenwärtig eine "Zukunft ohne den Anderen" zu sein.

Diesen Zustand zu überwinden und wieder Lösungen für ein gewaltfreies Nebeneinander zu entwickeln, setzt, so Alroi, die Antwort auf die Frage voraus, ob es sich im nahen Osten um einen Territorialkonflikt oder aber um einen Legitimationskonflikt hinsichtlich der israelisch-jüdischen Existenz handelt. Auch Abdallah Frangi sieht die Situation sehr kritisch, "ich bin einer von denen, die dem Nahen Osten eine rosige Zukunft prophezeit haben, aber irgendwann kommt man an eine Grenze, an der es nicht mehr auszuhalten ist - die Israelis sind diejenigen", so führt Frangi weiter aus, "die Macht haben, etwas zu verändern, aber ihre Vorschläge zeigen, dass sie kein Verständnis für das palästinensische Bedürfnis nach einer Staatsgründung haben". Deshalb sei auch die Ausrufung der noch in Oslo vereinbarten Staatsgründung im Jahr 1998 nicht zustande gekommen.

Für die Zukunft formulierten beide als erstes Ziel ein gewaltloses Nebeneinander, friedliches Miteinander werde wohl noch lange auf sich warten lassen. Deshalb sei ein "Prozess der Trennung und Entflechtung" wichtig, der aber, wie Frangi zu bedenken gibt, "für uns Palästinenser nur denkbar ist, wenn die Israelische Armee die Palästinensischen Gebiete verlässt, die Siedlungspolitik aufgibt" und das Palästinensische Territorium weitgehend eine geographische Einheit bilde. Auf der Grundlage "einzelner Kantone, getrennt durch Straßen unter ständiger Kontrolle Israels, kann sich unsere Demokratie nicht entwickeln."

In der sich anschließenden lebhaften Diskussion wurden sowohl die militärischen Angriffe Israels, als auch die Selbstmordterroranschläge der Palästinenser thematisiert. Es sei auffällig, formulierte ein Besucher, dass es in Zeiten, in denen verhandelt wurde keine Selbstmordattentate gegeben habe.

Mit einer kurzen Replik auf die verschiedenen neueren Friedensinitiativen: den saudiarabischen Abdallah Vorschlag, den EU-Plan und die Initiative der Deutschen Bundesregierung verabschiedete Binding seine beiden Gesprächspartner nicht ohne Hoffnung, dass der Friedensprozeß wieder in Gang kommen möge.





zurück | nach oben