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Was ist kommunale Daseinsvorsorge? Diese Frage bestimmte auf der öffentlichen Delegiertenkonferenz der SPD Heidelberg den Abend.
(31. Oktober 2001)

Kommunen und Europa

Was ist kommunale Daseinsvorsorge? Diese Frage bestimmte auf der öffentlichen Delegiertenkonferenz der SPD Heidelberg den Abend. Der Kreisvorsitzende Lothar Binding führte Reiner Schiller-Dickhut an: "Der Begriff meint, daß die Gemeinde wirtschaftliche, soziale und kulturelle Dienstleistungen für alle Bürger und Bürgerinnen bereitstellt, ursprünglich mittels eigener Einrichtungen; sie ist dazu durch das Sozialstaatsprinzip dazu verpflichtet. Die kommunale Daseinsvorsorge einschließlich der dafür geschaffenen Einrichtungen wie Ämter, Betriebe und privatrechtliche Unternehmen gehören zum Wesen der kommunalen Selbstverwaltung". Was das nun, auf Heidelberg und die Region herunter gebrochen, bedeutet, ergab sich aus der Veranstaltung.

Eigens aus Berlin angereist war Detlef Raphael, Bundesgeschäftsführer der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik. "Ich sehe in den gegenwärtigen Entwicklungen große Chancen, verkrustete Strukturen in kommunalen Körperschaften aufzulösen," sagte er. Raphael erläuterte, dass die häufig anzutreffende Annahme falsch ist, die EU-Richtlinien führten in die Privatisierung. Man müsse streng zwischen Wettbewerb und Privatisierung unterscheiden. Die EU orientiere sich an strikter Neutralität, das bedeutet, dass auf die Akteure - kommunal/öffentlich oder privat - im Wettbewerb kein Einfluß genommen werde, so Raphael. Häufig seien die regionalen Randbedingungen noch wettbewerbsfeindlich und nicht selten zum Schaden der eigenen Region ausgebildet. Als Beispiel nannte er das Territorialprinzip in Baden-Württemberg und appellierte an die Kommunen, ihre Funktion als Gewährsträger für Leistungen in der Daseinsvorsorge stärker zu nutzen.

Der Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar, Dr. Wolfgang Wagner, betonte, dass die Gemeinden als Unternehmer auf dem Rückzug seien, es aber nach wie vor wichtige öffentliche Aufgaben gebe. Es sei wichtig, die EU-Richtlinen als konstruktives Moment für die Regionalentwicklung zu nutzen.

"Verkrustete Strukturen in kommunalen Körperschaften können aufgelöst werden", sagte Klaus Blaesius, Geschäftsführer der Heidelberger Verkehrs- und Versorgungsbetriebe. Es sei wichtig, dass in der politischen Auseinandersetzung klar definiert werde, welche Ziele im Öffentlichen Nahverkehr, als öffentliche Dienstleistung, als Versorgungsleistung in den Bereichen Strom, Gas, Wasser etc. verfolgt werden und wer die damit einher gehenden Kosten übernimmt. Er erläuterte die Notwendigkeit, klare Vorstellungen von Controlling zu entwickeln, weil damit ein Instrument verfügbar werde, das die jeweils vernünftige Entscheidungskompetenz festlegt, verteilt und definiert: Einerseits die Zieldefinition in der Politik, andererseits die operative Kompetenz in den öffentlichen Betrieben.

SPD-Stadtrat Roger Schladitz verknüpfte die bisherige Argumentation mit dem Begriff der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit bezogen auf sämtliche Ressourcen: Geld, Personal und Dynamik in den Reformprozessen der Verwaltungen. Er beschrieb die großen Vorzüge der erst vor kurzem eingeführten Kennzahlsysteme im Heidelberger Haushalt. "Sie sind eine notwendige Voraussetzung zur Leistungsmessung der mit einem städtischen Haushalt befassten Akteure und eine wichtige Hilfe zu Erfüllung der großen Aufgaben im Rahmen nachhaltiger Daseinsvorsorge: Öffentlicher Verkehr, Abfallwirtschaft, Energie- und Wasserversorgung und anderes", so Schladitz.

In der Diskussion mit dem Publikum ging es besonders um zwei Themenbereiche. Zum einen darum, ob es einen Privatisierungsdruck gibt und zum anderen, welche Wirkungen von den EU-Richtlinien auf städtische Betriebe, die Verantwortung für die Daseinsvorsorge übernehmen, ausgehen.

"Bestimmten Privatisierungstendenzen, Kosteneinsparungen und dem Wettbewerb ist auch die Verantwortung der Kommunalpolitik gegenüber zu stellen, die städtischen bzw. öffentlichen Unternehmen fit zu machen. Nur so können diese Betriebe - auch in der neuen Situation - erhalten werden", sagte Lothar Binding dazu. Dies gelte nicht nur unter dem Gesichtspunkt Arbeitsplätze zu sichern, sondern auch im Hinblick darauf, bestimmte öffentliche Aufgaben selbst gestalten zu können. Wenn Aufgaben nach aussen, an Privatfirmen vergeben werden, könnten zwar viele Dinge vertraglich geregelt werden, aber die Stadt sei nicht mehr die letzte Instanz.

Konzepte, um die Produktivität der kommunalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter zu steigern, seien ein guter Weg für alle Beteiligten, da waren Podium wie Publikum sich einig.




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