Zurück zum Pressearchiv 1999 - 2002 | Zurück zur neuen Seite von MdB Lothar Binding


Herr Jahn, der Präsident von "Haus & Grund" hat im Oktober 2000 einen Atikel in der Zeitung "Haus & Grund" "Preisschock nicht nur an der Tankstelle" veröffentlicht.

Meines Erachtens führt der Artikel in wesentlichen Teilen sachlich in die falsche Richtung. Bei mir, selbst Mitglied in Haus und Grund, kamen Zweifel auf, ob im Präsidium von Haus und Grund parteipolitische Überlegungen wirklich im Hintergrund bleiben. Deshalb habe ich an die Zeitung bzw. Herrn Jahn folgenden Leserbrief geschickt.


Sie schreiben"5.000 Liter Heizöl sind sind heute 1.800 DM teurer als im Mai" und bringen diesen Preissprung im gleichen Satz mit der Ökosteuer in Verbindung. Im nächsten Satz fordern Sie dann deren Aussetzung.

Wie Sie wissen, wurde die Ökosteuer auf Heizöl nur einmal, um vier Pfennig pro Liter, erhöht und es sind keine weiteren Erhöhungen geplant. Die enormen Preiserhöhungen sind grössten Teils auf das Anziehen des Rohölpreises zurück zu führen.

Wie Sie sicher auch wissen, wird die Ökosteuer dazu genutzt, die Rentenbeiträge unter 20 Prozent zu halten. Bisher wurden die Beiträge von 20,3 auf 19,5 und aktuell 19,3 Prozent gesenkt, für Arbeitnehmer und Arbeitgeber bedeutet das eine Entlastung von jeweils 0,4 bzw. 0,5 Prozent. Dem Steuerzahler wird also die ökosteuerbedingte Belastung an der Tankstelle über die Lohnabrechnung wieder zurück gegeben. Zum Jahresbeginn 2001 erfolgt eine weitere Senkung auf 19,1 Prozent.

Durch diese Senkung der Lohnnebenkosten werden die Rahmenbedingungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen verbessert. Das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsinstitut prognostiziert bei Beibehaltung der Ökosteuer ca. 450.000 neue Arbeitsplätze bis zum Jahr 2005. Durch die Senkung der Sozialabgaben macht die Ökosteuer Arbeit billiger und erhöht so den Anreiz für Unternehmen, mehr Beschäftigte einzustellen.

Selbst die jetzt durch international verursachte Entwicklungen, wie Dollarkurs oder OPEC-Fördermenge hohen Ölpreise gefährden den Wirtschaftsaufschwung nach Meinung von Experten wie dem Ökonomieprofessor Peter Michaelis nicht.

Eine Aussetzung oder Abschaffung der Ökosteuer dagegen würde also die Stabilität der Rentenbeiträge ebenso gefährden wie die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Schon zweimal in der bundesdeutschen Geschichte war Öl knapp und teuer, bei den Ölkrisen 1973 und 1980, damals waren die Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft weit dramatischer. Nach diesen Erfahrungen versuchten die Volkswirtschaften vom Rohstoff Öl unabhängiger zu werden, heute beträgt der Energiekostenanteil des verarbeitenden Gewerbes nur noch 1,7 Prozent. Trotzdem werden bei gleichbleibendem Verbrauch die weltweit vorhandenen 138 Milliaren Tonnen Rohölreserven in 40 Jahren zur Neige gehen, weil schon heute mehr als 3,5 Milliarden Tonnen Rohöl pro Jahr verbraucht werden. Das hat der Deutsche Fachverband Solarenergie errechnet. Ich möchte es an dieser Stelle wieder holen: In 40 Jahren werden die letzten Reserven verbraucht sein. Bei diesen Aussichten sind künftige Ölkrisen zu erwarten, und da gewinnt volkswirtschaftliche Unabhängigkeit vom Primärenergieträger Rohöl an Bedeutung. Die Ökosteuer soll - über die Reduzierung der Nachfrage - auch dazu beitragen, diese Unabhängigkeit weiter auszubauen. Sie jetzt abzuschaffen würde bedeuten, dass Deutschland sich die Steuerpolitik von den OPEC-Staaten diktieren lässt. Das wäre natürlich ein sehr kritisches Signal. Die steigenden Ölpreise rufen auch den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen die Endlichkeit des Rohstoffs ins Gedächtnis - das ist ein Anstoß, zu einem anderen Umgang mit Verkehr und Energieverbrauch zu gelangen. Neue Methoden der Energieeinsparung gewinnen an Boden, ein Beispiel dafür ist die ECO-Fahrweise, die schon in einigen Städten bzw. städtischen Gesellschaften trainiert und praktiziert wird.

Die Ökosteuer soll außerdem den Ausbau alternativer Technologien fördern, etwa die Entwicklung neuartiger Motoren wie der Brennstoffzelle. Das sichert nicht nur die Unabhängigkeit vom Importgut Öl, sondern der deutschen Wirtschaft eine vorteilhafte Position auf diesem Segment des Weltmarkts. Schon heute ist die Bundesrepublik das Exportland Nummer eins für Umwelttechnologien. Der Markt ist bisher schwach entwickelt. Er bietet aber - vor allem in warmen Regionen - große Expansionsmöglichkeiten, und damit die Chance, Arbeitsplätze zu schaffen.

Die mit der ökologischen Steuerreform geringfügig erhöhte Mineralölsteuer hat aber auch eine wichtige ökologische Funktion. Sie soll ein Bewusstsein schaffen für den sparsamen Umgang mit Benzin. Den engen Zusammenhang zwischen Benzinpreis und Treibstoffverbrauch bestätigt das Umwelt- und Prognoseinstitut Heidelberg e.V.

Denn Öl ist schließlich nicht nur eine endliche, sondern auch eine gefährliche Ressource. Der Straßenverkehr in Deutschland verursacht 14 Prozent des jährlichen CO2-Ausstoßes. Da CO2 die Erdatmosphäre belastet, verpflichtete sich die Bundesregierung mit Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) 1995 in Kyoto zur Reduzierung des Ausstoßes um 25 Prozent bis 2005. Ein Ziel, das ohne die Ökosteuer sicher nicht erreicht werden kann - wollen wir von Verboten aller Art absehen.

Vor diesem Hintergrund waren auch Politiker der Opposition schon einmal anderer Meinung, als sie heute sein wollen. Angela Merkel äußerte sich als Bundesumweltministerin 1995 ebenso positiv gegenüber einem Ökosteuerkonzept wie Friedrich Merz noch im November 1998. Der ehemalige CDU-Umweltminister Klaus Töpfer, jetzt Chef der UN-Umweltbehörde UNEP, warnte im Dezember 1999: "Wir sind bereits im Klimawandel." Er schlug eine jährliche Erhöhung der Benzinpreise um 10 Pfennig vor.

Ein grundlegend positiver Effekt der Reform in mehreren Schritten zwischen 1998 und 2003 ist es dass die Rahmenbedingungen für arbeitsplatzschaffende Wirkungen deutlich verbessert werden. Die Menschen können mehr Geld für ihren persönlichen Bedarf ausgeben, die Industrie und der Mittelstand können mehr investieren. Beides zentrale Wachstumsimpulse und gute Voraussetzungen zur Schaffung von Arbeitsplätzen.

Nach weiteren Erfolgen bei der Sanierung der Staatsfinanzen, dem Abbau der Arbeitslosigkeit und der Verwendung von Naturstrom kann sicher erneut über die Zusammenhänge Ökosteuer, Nettolohn, Sozialversicherungssystem, dabei insbesondere Rentensystem und Steuersystem, nachgedacht werden.

Hausbesitzern hilft die rotgrüne Bundesregierung gleich auf mehreren Wegen: Zum einen wird Strom, der beispielsweise mittels Solaranlagen auf dem Dach gewonnen wird, ein Festpreis von 99 Pfennig pro Kilowattstunde vergütet. Auch der Bau solcher Anlagen wird, über das "100.000-Dächer-Programm", gefördert. Zum anderen werden Massnahmen der Bauisolierung bereits bezuschußt, weitere Vergünstigungen in diesem Bereich sind geplant.

Bei Deutschlands Wohnhausbestand, besonders in Altbauten, ist in dieser Hinsicht noch einiges zu tun, damit wertvolle Energie nicht weiterhin sinnlos durch die Wand oder undichte Fenster entweicht.

Ich hoffe sehr, dass es ist mir gelungen ist, Ihre Kritik konstruktiv aufzugreifen und weiter zu entwickeln.


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