Zurück zum Pressearchiv 1999 - 2002 | Zurück zur neuen Seite von MdB Lothar Binding


„Hilfe für die Gemeinden“

SPD Abgeordnete diskutieren mit Bürgermeister und Kämmerer der Region  - 15.11.2003

Neckarhausen - Der Gastgeber des Treffens, Bürgermeister Roland Marsch, brachte es bei der Begrüßung auf den einfachen Nenner: "Wenn die Kommunen nicht mehr investieren können, dann schaffen sie keine Arbeitsplätze und dann sinkt das Steueraufkommen." Die schlechte Prognose war überspitzt, traf aber den Nagel aber auf den Kopf: Die Finanzen der Gemeinden werden seit Jahren immer weniger, vielen steht das Wasser bis zum Hals. "Radikale Kürzungen in 2004, 2005 muss ich das Schwimmbad schließen, und 2006 zahle ich die Angestellten mit Naturalien aus.", so der Kommentar des Neckargemünder Bürgermeisters Horst Althoff. Wie die Regierungskoalition die Einnahmesituation der Gemeinden stärken will erläuterten im Neckarhäuser Schloss die SPD-Bundestagsabgeordneten Lothar Binding und Prof. Gert Weisskirchen.

Mit dabei auch der CDU-Abgeordneter Dr. Karl Lamers, "Wir brauchen eine Gemeindefinanzreform, und zwar sofort." Das im Oktober verabschiedete Gesetz zur neuen Gemeindewirtschaftssteuer, das nach Ablehnung im Bundesrat jetzt den Vermittlungsausschuss beschäftigt, sollte aber nach „harten Verhandlungen“ auf den Weg gebracht werden, so Lamers. Gert Weisskirchen MdB war zuversichtlich, dass der Vermittlungsausschuss "durch deutlichen Druck der Kommunen am Ende eine gute Lösung" zustande bringt. Die Gewerbesteuer, so Lothar Binding, sei von jeher im breiten politischen Konsens gesetzlich gestaltet worden. Daher habe er auch zum informellen Gespräch überparteilich eingeladen. Insgesamt 30 teilnehmende Bürgermeister und Kämmerer mit ihren Nöten und Ängsten zeigten mit ihrer Teilnahme, wie sehr ihnen das Thema Gemeindefinanzen auf den Nägeln brennt.

Lothar Binding ging zunächst auf die wichtigste Einnahmequelle der Gemeinden ein: die Gewerbesteuer. „Sie ist eine Steuer auf den Gewinn eines Unternehmens. Sie ist der Beitrag der Unternehmen für die von der Gemeinde aufgebauten Infrastruktur.“ Die Steuer läge bei etwa 10 bis 12% auf den Gewinn, wobei die Personenunternehmen, also z.B. die meisten Handwerksbetriebe, diese an die Gemeinde bezahlten Steuern wieder komplett oder fast komplett zurück erhalten würden. Neben der internationalen Wachstumsschwäche falle hier deutlich die „durchaus legale Steuergestaltung“ vieler Betriebe negativ ins Gewicht. „Wenn Unternehmen Leasingraten, oder Darlehenszinsen quasi an sich selbst oder an Tochterfirmen zahlen, erhalten deutsche Kommunen keine Steuern, trotz des im Konzern verbleibenden Gewinns. Gleichwohl fahren die LKW der Konzerne natürlich auf unseren Straßen und die Bauleitplanung für Gewerbe und hoch geförderte Gewerbestandorte werden von allen Steuerzahlern bereit gestellt.“, so Binding. Per Modellrechnung erläuterte der Abgeordnete, wie der Gesetzgeber dem entgegenwirken und durch eine Verbesserung der Bemessensgrundlage den Gemeinden höhere Einnahmen sichern will. Die vorgeschlagene Lösung von SPD Bundestagsfraktion, Städtetag, Städte- und Gemeindebund, Landkreistag würde die Einnahmen der Kommunen um mehr als 3 Milliarden Euro verbessern.

Insbesondere die steuermindernde Gestaltung zwischen verbundenen Unternehmen müsse verhindert werden. So sollen Aufwendungen, die quasi an sich selbst gezahlt werden als Gewinn aufgefasst werden und sind, zu Finanzierungsanteilen von

25 % für Lizenzgebühren, 50 % für Leasing, Mieten Pachten von beweglichen Wirtschaftsgütern und 50 % für Dauerschuldzinsen, 75 % für Leasing, Mieten Pachten von Grundbesitz und 100 % für Gewinnanteile stiller Gesellschafter im Rahmen der Gewerbesteuer zu versteuern. Binding betonte, dass „an sich selbst bezahlen“ entspräche einer Vorweg-Entnahme von Gewinnen und würde im neuen Gesetz als „Zurechnungen“ zum Gewinn behandelt.

Die CDU hingegen, so der Abgeordnete Dr. Lamers, lehnt diese „Substanzbesteuerung“ ab, da sie für manche Unternehmen „das Ende der Existenz“ bedeuten könne. Auch die Veranlagung der Freiberufler in die Gemeindewirtschaftssteuer bringe nichts, weil diese die Steuer über die Einkommensteuererklärung zurück erstattet bekämen. "Aber den Gemeinden bringt der Gemeindesteueranteil sicher was", warf dagegen Sinsheims OB Horst Sieber ein. Es fände eine Umverteilung zwischen zwei Steuertöpfen statt: von der Einkommensteuer zur Gewerbesteuer – also vom Bund und den Ländern direkt zur Kommune. Dieser „Umweg“ wäre vermeidbar, so Binding „aber wir wollen – verfassungskonform - das Hebesatzrecht, also eine Form der Selbstbestimmung der Kommunen, erhalten“. Das gewählte Verfahren ermögliche im übrigen jeder Kommune wie bisher ihren Hebesatz individuell festzulegen. Roland Marsch fragte die SPD-Abgeordneten, ob zur raschen Hilfe "das Ziel 1. Januar 2004, mit welchem Modell auch immer" erreichbar sei. Lothar Binding unterstrich zum Abschluss, das Gesetz wäre "mit der ersten Gewerbesteuervorauszahlung wirksam." Damit eine schnelle Verstärkung der Kommunalfinanzen erreicht würde, senke der Gesetzgeber die Gewerbesteuerumlage von 29% auf 22%, ab 2006 auf 19%. Das hieße, die Kommunen müssten weniger an den Bund abführen. Prof. Gert Weisskirchen bekräftigte noch einmal, dass die Gemeindewirtschaftsteuer eine Vereinfachung der Steuergesetzgebung sei und zu einer deutlichen Verstärkung und Verstetigung der Einnahmen der Kommunen führe.

NT



zurück | nach oben