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Ungesunde Zähne und dicke Brocken


RNZ - Bergstrasse 5.12.03

SPD-MdB Lothar Binding machte ein Betriebspraktikum im Dentallabor Prieß - Der Mittelstand hat schwer zu kauen an der Gesundheitsreform

Mit den neuen Beißerchen machte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding gestern vertraut. Einen Tag lernte er unter der Obhut des Laborchefs Harald Prieß die manchmal raue Wirklichkeit dieses Handwerks lernen. Foto: Kreutzer

Von Solveig Frick

Hirschberg. Dass der Bundestagsabgeordnete Lothar Binding (SPD) in seinem neuen Wahlkreis an der Bergstraße keine Berührungsängste hat, ist hinlänglich bekannt. Deswegen erklärte er sich auch gerne bereit, an einem Betriebspraktikum im Leutershausener Dentallabor Prieß teilzunehmen. Angestoßen wurde diese Aktion, bei der Bundestagsabgeordnete in Betriebe geschickt werden, von der Aktionsgemeinschaft "Wirtschaftlicher Mittelstand" (AWM). Der AWM vertritt über 20 Branchen mit Schwerpunkt kleine und mittlere Unternehmen. Gerade der Mittelstand fühlt sich durch die neuen Gesetzesinitiativen im Bundestag benachteiligt. Daher auch die Idee, Abgeordnete mal mit der Praxis zu konfrontieren. Binding hat sich einen ganzen Tag Zeit genommen, um im Labor etwas über den Unterschied zwischen Theorie und Praxis zu lernen. Über die Situation der Arbeitnehmer in einem Betrieb kann Binding keiner was erzählen: Er selbst ist ausgebildeter Elektriker und hat neben seinem Studium noch 40 Stunden die Woche auf dem Bau gearbeitet. Aber darum ging es bei diesem Betriebspraktikum auch nicht. Vielmehr entstand der Eindruck dass hier versucht werden sollte, den Bundestagsabgeordneten mit der Nase auf die Probleme des Mittelstandes im Allgemeinen zu stoßen - und auf die der Zahntechnikerinnung und ihrer Klientel im Besonderen. Der Meister des Labors, Harald Prieß, gab dem Kind einen Namen: "Allein mit Kassenpatienten kann ich nicht mehr kostendeckend arbeiten. So kann mein Betrieb nicht überleben." Gemeint sind die neuen Forderungen des Gesetzgebers, mehr auf Vorsorge in der Behandlung zu setzen. Die Idee ist, durch eine Vorsorge auf lange Frist kosten zu sparen: Wer regelmäßig zum Zahnarzt geht und seine Zähne rechtzeitig behandeln lässt, braucht später kein teures Gebiss. Soweit die Theorie.

Der Geschäftsführer der Zahntechnikerinnung Baden, Bernd Hackstock, befürchtet aber, dass im Gegenzug die Ärzte zu billigeren Behandlungsmethoden greifen könnten und nicht die geeignete Behandlung in Angriff nehmen, die dem Patienten auf lange Sicht zu einem gesunden Gebiss verhilft. Er verglich da die gebräuchliche Amalgamfüllung mit der Keramikkrone. Seiner Einschätzung nach würde eine Keramikkrone ein Zahnproblem ein für alle Mal beseitigen, auch wenn das zunächst teurer würde. Durch die neuen Maßnahmen aus Berlin würde auf diese Art eine nachhaltige Behandlung verhindert, da ja alle zum Sparen angehalten würden und so nur die Kosten im Auge haben - und nicht etwa das Wohl des Patienten. Binding ist diese Problem bestens bekannt: "Es wissen alle minus einem, wo gespart werden muss: bei allen anderen, nur nicht bei mir." Seiner Meinung nach müssen in der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Deutschland alle Abstriche machen. Er sieht die Verantwortung für die richtige Behandlung beim Zahnarzt. Der hätte schließlich ein Vertrauensverhältnis zu seinem Patienten und könne die Lage am besten beurteilen.

Aber Binding sieht auch die Schwierigkeiten, die die Betriebe mit der Umsetzung der Theorie in der Praxis haben: "Ihre Umsatzeinbußen interessieren uns natürlich auch."

Binding für seinen Teil freut sich, durch das Betriebspraktikum ein weiteres Handwerk kennen gelernt zu haben, "das ich vorher nicht kannte". Auch gibt er zu, dass man die Vorsorge noch einmal genauer durchdenken sollte. Hackstock brachte es auf den Punkt: "Mit ungesunden Zähnen kann man eben nicht gut kauen und muss dann die dicken Brocken schlucken. Das schlägt auf den Magen."



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